Montag, 16. September 2013

Google Glass - das Nasen-Smartphone

Was wurde nicht alles schon geschrieben - über Google Glass. Dieses brillenähnliche Teil, das wahlweise als "das nächste große Ding" oder "das Ende der Privatsphäre" bezeichnet wurde. Nun hatte auch ich die Chance, Google Glass auszuprobieren - bevor es vermutlich 2014 in den (US-) Handel kommen wird. Kurz gesagt: Hübsches Spielzeug, aber an eine Massenproduktion sollte Google erstmal nicht denken...


Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als die berühmten 1000 Worte. Deshalb: 

Sieht schon irgendwie spacig aus - ich meine Google Glass. Der schwarze Punkt
im silbernen Teil ist die Kamera, rechts daneben das "Prisma".

Was ist nun Google Glass?

Hinter dem "Project Glass" steckt eine einfache Idee:  Der durchschnittliche Smartphone-Nutzer schaut gefühlt mindestens 100 Mal auf sein Telefon - am Tag. Dazu nimmt er es natürlich in die Hand. Wie wäre es, wenn er darauf verzichten könnte und immer die Hände frei hätte, um zu telefonieren, zu navigieren, zu fotografieren und zu suchen? Und er statt eines klassischen Bildschirms alles direkt vor seinen Augen eingeblendet bekommt? 
Das ist es, was Google Glass kann! Und so würde ich es einfach als Nasen-Smartphone bezeichnen.

Das erste Aufsetzen

Fast wie eine Brille, nur ohne Gläser. Das "Gestell" ist extrem biegsam und passt sich der Kopfform perfekt an. Man spürt Google Glass zuerst kaum, allerdings sieht man schon das Prisma, das vor meinem Augen den "Bildschirm" einblendet.

Auf Wikipedia habe ich diese Grafik gefunden, die schon einiges erklärt:

Quelle: Wikipedia/MovGPO

Was kann man damit machen - und vor allem wie?

Nun, zum Steuern gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Die eine ist die Sprache, die andere das kleine Touchpad am rechten "Brillenbügel". Mit der Ansage "Ok Glass" weckt man das Nasen-Smartphone aus dem Halbschlaf, es erscheint ein Auswahlmenü vor meinem Auge: Da auf dem kleinen Bildschirm nur Platz für rund sechs Zeilen ist, blättere ich, indem ich meinen Kopf sanft und kaum spürbar nach unten bewege. Also: was wird mir angeboten? Die fünf Schlüsselfunktionen (es gibt aber noch mehr Funktionen...):
  • Suche: Sage ich "Google" - kann ich suchen (sic!): Auf die Englisch gestellte Frage "Wer ist der deutsche Bundespräsident" erhalte ich ein Namen und Foto von Joachim Gauck. Der CLOU: Ich kann Anschlussfragen stellen (was bisher nicht mal beim "normalen" Google drin ist)! Auf die Frage "Wo kommt er her" sehe unds höre ich "Rostock".
  • Foto: "Take picture" - ja, dann macht Glass ein Foto, das nicht mal so schlecht ist. (eingebaut ist eine 5 Megapixel-Kamera). Schon hübsch, mal schnell einen Schnappschuss machen zu können - ohne das Handy rausholen zu müssen. 
  • Video: "Record video" - und schon lässt sich ein Video aufzeichnen. Für die Filmfreunde: Mehr subjektive Kameraführung geht nicht. 
  • Navigation: Das ist für Fußgänger und vor allem Radfahrer die optimale Navigationslösung! Man sagt das Ziel an, Google berechnet die Route und navigiert mit Sprachansage. Die Straßenkarte ist natürlich auf dem virtuellen Bildschirm vor dem Auge zu sehen. Dreht man sich oder den Kopf zur Seite, dreht sich die Kartenansicht mit!
  • Telefonieren: Das geht auch, aber eben nur, wenn Google Glass mit einem Smartphone per Bluetooth gekoppelt ist. 
Ja, richtig gelesen, es braucht eben doch noch ein Smartphone. Das gilt nicht nur fürs Telefonieren, sondern außerhalb von WLAN-Zonen auch für die Suche oder die Navigation. 
Ach, die zweite Möglichkeit: Die Steuerung über das Touchpad. Nach vorn, hinten oder unten wischen oder das profane Fingertippen lösen Aktionen aus. Welche, das muss man sich merken - wirklich intuitiv scheint das nicht zu sein - denn ich habe es nach wenigen Tagen schon wieder vergessen.

Sonst noch Fragen?

Was könnte noch interessant sein? 
  • Wo ist der Kopfhörer? - Gibt es nicht! Stattdessen setzt Google auf einen sogenannten Knochenleitungs-Lautsprecher, der in der Nähe des Ohres im rechten "Brillenbügel" sitzt (siehe Grafik oben). Funktioniert.
  • Was ist mit Brillen- oder Sonnenbrillenträgern? - Wenn Google Glass in den Handel kommt, wird es Google Glass mit Gläsern geben.
Google Sun Glasses ...
  • Wie groß ist der Speicher? - So rund 12 Gigabyte sind frei verfügbar, das ist schon eine Menge.
  • Und der Akku? - Da ich nur einige Minuten testen konnte, muss ich mich auf im Netz gefundene Aussagen von Dauertestern verlassen. Sagen wir es so: Moderne Smartphones, die ja nicht gerade für supertolle Akkus bekannt sind, sollen deutlich länger durchhalten. Leuchtet auch irgendwie ein, sehr groß - nur vom Volumen her - kann der Akku im "Brillenbügel" auch nicht sein. 
Fazit und Prognose

Google Glass macht Spaß. Freihändig Fotos und Videos machen, toll! Navigieren als Radfahrer - prima! Aber ein Produkt für die Masse wird es nicht so schnell werden. 

Denn die "Brille" nutzt einerseits zumindest zum jetzigen Zeitpunkt bei weitem nicht alle Möglichkeiten aus, die sich bieten. So wäre es doch zum Beispiel denkbar, dass Glass in einer fremden Stadt nützliche Zusatzinfos einblendet, und das ohne Google-Suche, sozusagen ungefragt.

Andererseits - und ich bin kein klassischer Datenschützer - hat Google Glass das Problem, dass jeder sofort die Kamera im Gestell sieht. Man muss gar nicht so weit gehen, wie es oft zu lesen war: "Da macht einer von mir Fotos mit Google Glass - und erfährt dann per Gesichtserkennung gleich alles über mich." Es wird schon die bloße Ansicht der Kamera reichen, um den Träger zu einem sozialen Außenseiter zu machen, denke ich zumindest. So werden Teilnehmer an Web-2.0 (oder 3.0)-Konferenzen dort fast zwangsläufig  mit Google Glass rumlaufen - aber das Nasen-Smartphone in freier Wildbahn auch wieder absetzen. 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Herr Leine, in der oberen Bildunterschrift ist Ihnen leider ein Rechtschreibfehler unterlaufen: "Spackig" schreibt man mit "ck".
Mit freundlichen Grüßen, Andreas Schwartau

Jörg Leine hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Schwartau,

in der Tat, das ist sicher ein Stück weit richtig. Wenn man so will.

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